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Mai 2022

Aus für die Wirtschaftszeitung!

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Print gewinnt. Nicht immer. Zum 1.7. stellt die Regensburger Wirtschaftszeitung ihren Betrieb ein. Das Monatsblatt wurde fast 12 Jahre alt. Auflage: 15.000.

Dabei kassierte die Mittelbayerische Zeitung GmbH im Oktober 2010 viel nationales Lob, als der Verlag die erste Nummer seiner Wirtschaftszeitung publizierte. Motto: „Handel, Handwerk, Industrie und Gewerbe in Ostbayern.“ Eine Marktlücke. Die Oberpfälzer Wirtschaft hat nämlich auch mal Lust auf Rampenlicht.

Bald nicht mehr auf dem Markt: die Regensburger Wirtschaftszeitung

Die Cash-Problematik konnten die Regensburger Zeitungsmacher ganz gut lösen. Mit einem hybriden PR-Finanzierungssystem. Umsatz brachten zum einen Abonnenten, zum anderen Advertorial-Kunden. Advertorials sind Redaktionsbeiträge, die der Kunde freigibt und bezahlt. Drüber steht ADVERTORIAL.

Was ist ein Advertorial?

Diese „alternativen Anzeigen“ sind aber nicht unumstritten. Nach einer Studie der Medienanstalt Berlin-Brandenburg kann nicht einmal jeder vierte Leser den Unterschied zwischen diesen „Anzeigen“ und der Redaktion erkennen.

Ein aktuelles Advertorial: Sieht aus wie Redaktion, kann durchaus interessant sein. Aber…

Ein solches System kann aber auf der anderen Seite einen Marken-Gau auslösen: Wer hinten 1/1 Advertorial schaltet, der will vorne nicht in die Pfanne gehauen werden. Die Themen werden also irgendwie und sowieso, bis auf Ausnahmen, „weichgespült“.

Markenpolitik aktiv: die Innovationspreise der Wirtschaftszeitung

Mit Club-Veranstaltungen, Online-Aktionen sowie Talent- und Innovationspreisen versuchte die Wirtschaftszeitung, Renomme und Reichweiten zu gewinnen. Aber dagegen standen zunehmend die gedeckelten Honorar- und Personalkosten.

Mittelbayerische Zeitung nach Passau verkauft

Auch in der Chefetage des Mutterblatts, der Mittelbayerischen Zeitung (Auflage 92.444), wurden die Sorgen groß und größer. Jedenfalls verkauften die beiden Gründerenkel Peter und Thomas Esser vor einem Jahr ihren kompletten Verlag an die Passauer Neue Presse (PNP).

Das vorletzte Impressum: Herausgeberin Simone Tucci-Diekmann ist auch Chefin der PNP und des Donaukuriers

Am 1. Juli erscheint die Regensburger Wirtschaftszeitung zum letzten Mal. € 2,90 für die die 141. Ausgabe. Der Wirtschaftsteil der Mittelbayerischen Zeitung soll jetzt ausgebaut werden. „..damit wird nicht mehr einmal im Monat, sondern täglich berichtet werden“, heißt es in der Abschiedsmeldung. Schau´n wir mal…

Auslaufmodell Sponsoring?

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Innerhalb eines Jahres hat Sponsoring laut Nielsen 1,4 Mrd € verloren. Es bleiben zwar noch 4,9 Mrd. Aber: Was ist los in den Marketing-Etagen? Ein exklusiver Erklärversuch.

Hat Corona den Rückzug ausgelöst oder ist Sponsoring einfach out? Wir fragten dazu Patrick Seitter, seit 15 Jahren im Sponsoring-Business. Er sitzt in der Geschäftsführung des ESB Marketingnetzwerks mit Sitz in St. Gallen.

Seit 15 Jahren im Sponsoring-Bizz: Patrick Seitter, ESB Marketingnetzwerk St. Gallen

Seitter: Zahlen im Sponsoring werden in Regel nicht bestätigt, sondern sind ermittelt. So lässt der ZAW für 2021 die Sponsoringsumme auf 5,15 Mrd steigen. Für mich steht fest: Sponsoring ist nach wie vor attraktiv. Aber es ist noch viel Old Economy. Sponsoring muss sich neu erfinden, zum Beispiel die digitalen Möglichkeiten stärker nutzen.

? Aber viele sagen, dass der digitale Overload die Kreation, wie in der klassischen  Werbung, immer stärker zurückdrängt. Kann Sponsoring noch kreative Schlagzeile?

Kann Sponsoring noch Schlagzeile, Herr Seiter? “Ja, aber…”

Seitter:  Im November vergangenen Jahres wurde die Staples-Arena in Los Angeles in crypto.com-Arena umbenannt. Kostet 700 Millionen Dollar für die kommenden 20 Jahre. Das ist Weltrekord.

? In Deutschland waren die letzten Sponsoring-Schlagzeilen nicht so positiv. Gazprom bei Schalke weg, Kaspersky in Frankfurt raus und beim FC Bayern gab´s Fan-Ärger wegen Katar. Verliert König Fußball seinen Thron?

Seitter: Nein. Gazprom und Kaspersky sind politische Reaktionen. Aber das Thema Katar zeigt, dass Clubs mit ihren Sponsoren in der aktuellen Markenwelt angekommen sind. Der Konsument fragt: Wer bist du? Wie und mit wem machst du deine Geschäfte? Auch die Sportmarken müssen heute Haltung zeigen. Die Fans erwarten einen ehrlichen Club. Leider gibt´s im Sport oft die Zwickmühle zwischen Finanzierungsbedarf und Positionierungswunsch.

Sponsoringmarken 2022: Sie müssen, so Seitter, wie alle anderen kritische Fragen glaubwürdig beantworten können

? Bietet der E-Sport, das Spielen mit der Konsole, ein Rundum-Sorglos-Paket für Sponsoren?

Seitter: Sponsoring läuft in bestimmten Wellen. Der E-Sport hat gute Möglichkeiten für Marken. Genauso wie es vorher war im Tennis, im Radsport oder in der Formel 1. Aber seit Jahrzehnten ist der Sponsoringmarkt durchgehend von drei Themen beherrscht: Fußball, Fußball und Fußball. 75 Prozent des Sponsoringumsatzes nimmt bei uns der Fußball ein. Ich wünsche mir da mehr Mut bei den Sponsoren auch mal andere Themenfelder zu besetzen.

? Bleiben wir beim Bestseller. Was bitte ist denn so prickelnd in der 5. Reihe von Borussia Mönchengladbach vertreten zu sein?

Seitter: Glücklicherweise gibt es die 5. Reihe zum Beispiel mit LED nicht mehr. Die 5. Ebene aber schon – und da kommt es sehr darauf an, welche Ziele der Sponsor hat. Häufig sind das Sweetheart-Deals. Aber die braucht der Sport auch. Außerdem kann man auch mit kleinen Engagements schöne Marketingerfolge erzielen – vorausgesetzt man investiert in die Aktivierung der Rechte. Das kommt leider häufig zu kurz.

? „Sweetheart“ hat vermutlich in Zeiten der Controller-Übermacht wenig Überlebenschancen. Gibt es für ambitionierte Sponsoren nicht so was wie ein kleines Erfolgs-1×1?

Seitter: Abgesehen von regionalen Spezifikationen gibt es im nationalen Ansatz einen Begriff, der für Erfolg steht: Langfristigkeit. Nehmen wir Erdinger, Viessmann, Bauhaus, Swisscom oder Raiffeisen im Wintersport. Diese Marken sind seit Jahrzehnten dabei. Sie vernetzen ihr Engagement kreativ in die Gesamtkommunikation und werden so zu glaubhaften Partnern.

Apotal.de gegen Teamviewer: 2 Sponsoring-Cases, 2 Ergebnisse, so Seitter

? Sponsoring ist also ein mühevolles Zehnjahres-Projekt. Kein Wunder, dass die Budgets gestrichen werden.

Seitter: Sponsoring kann sehr wohl auch kurzfristig eingesetzt werden, für höhere Bekanntheit, für mehr Verkauf. Die Online-Apotheke apotal.de hat beispielsweise nach Bandenwerbung signifikante Neukundenzuwächse. Anderes Beispiel: der Göttinger M-Dax-Konzern Teamviewer. 2021 Einstieg in die Formel1, die Formel E und für 275 Mio Euro Hauptsponsor bei Manchester United. Ein interessantes, internationales Sportpaket. Aber eben nichts, das kurzfristig wirkt. Teamviewer musste eine Gewinnwarnung herausgeben, der Aktienkurs fällt ab September von über 30 auf jetzt € 12,52.

? Wer hat denn dann in der Königsdisziplin Fußball überhaupt eine Chance?

Seitter: Wer als Partner im Sport von den Fans und auch der Gesellschaft anerkannt wird, der hat es geschafft. Adidas, Audi und die Hypo sind zum Beispiel am FC Bayern direkt beteiligt, können mit entscheiden. Das wird als passend akzeptiert. Red Bull hat den Sport zum Teil seines Geschäftsmodells gemacht. Die Marke spielt auf allen Kanälen nahezu unschlagbar.

Burger King auf der Hose: Passt das, Herr Seitter?

? Und wie bewerten Sie den Auftritt von Burger King beim Rad-Team Eolo und im Giro d´Italia?

Seitter: Am Sponsor-Fit zwischen Radsport und Fast Food würde ich mal ein großes Fragezeichen machen. Aber Reichweite ist halt Reichweite und damit sowohl für das Team als auch für den Sponsor wertvoll. Wie´s langfristig weiterläuft bleibt abzuwarten…

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