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Trauer um Michael Ramstetter

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München – Die Zeit beschrieb ihn als „einen der mächtigsten Medienmacher der Republik“. Für andere war er der Skandal-Rambo des ADAC. Michael Ramstetter, der ehemalige Kommunikationsdirektor des Autoclubs, starb jetzt in Starnberg.

Verstarb mit 69: Ex-ADAC-Kommunikationschef Michael Ramstetter

„Geht nicht, gibt´s nicht“ – lange vor den Werbetextern war das sein Leitspruch. Wer das nicht verstand, der hatte es schwer unter seinem Kommando. Ich kannte Michael Ramstetter seit 37 Jahren. Damals bei BUNTE. Er hatte z.B. die Idee, den König-Ludwig-Weg groß zu zeigen. Fotos zu allen Stationen. Zum Ausklappen. Mit zwei Stickern fürs Auto. In drei Tagen? Klappte – mit Nachtschicht.

Im Rampenlicht Michael Ramstetter und Nina Ruge bei der Präsentation von ADAC-Schutzwesten für Kinder

Nach Burda (Online, Reisemagazin Holiday) fand er mit 45 endlich seine berufliche Erfüllung. Beim ADAC. Ramstetter wurde Chefredakteur der Motorwelt. Mit Vollgas brachte er das verstaubte Monatsblatt auf modernes Illu-Format. Das Magazin lieferte u.a. mit dem alljährlichen Tunnel-Test, dem Campingplatz-Test sowie dem Strand- und Skipisten-Test vielzitierte News. Smart verkauft von Chefredakteur Ramstetter, der zusätzlich die Leitung der gesamten ADAC-Unternehmenskommunikation übernahm.

Die Gala des Gelben Engels 2012: In der 1. Reihe die Bosse aller großen Autohersteller. Genauer: 400 Mrd € Umsatz

2004 eine neue Idee aus der Ramstetter-Werkstatt: der „Gelbe Engel“. Jedes Jahr verteilte der ADAC Preise an viele Automarken (wenigste Pannen, bester Newcomer, beste Mittelklasse, Leser-Voting, etc.). Der „Gelbe Engel“ wurde zum international beachteten Auto-Oscar. Die Konkurrenz von Bild & Co. („Goldenes Lenkrad“, etc.) waren wieder mal sauer. Ihre Awards rückten durch den ADAC-Engel in die zweite Reihe.

Der Goldene Engel war mal ein Münchner Pflichttermin für die Autobosse (v.l.): Dr. Ferdinand Piech, Ferdinand Porsche und Martin Winterkorn,

Natürlich feierte die Motorwelt ihre Sieger. Mit unglaublicher Reichweite. Auflage: knapp 14 Millionen Exemplare. Sie war Mittelpunkt eines neuen ADAC-Verlagsimperiums. Mit Ramstetter am Dirigentenpult.

Markenzeichen Gelber Engel: Für Sixt damals willkommenes Anzeigenmotiv

Dann der Skandal: Im Februar 2014 kam heraus, dass die ADAC-Sieger-Rankings manipuliert waren. Auch die Teilnehmerzahlen. Das war der Start zu einer großen Hetzjagd. Im Visier der kompletten deutschen Medienlandschaft: Michael Ramstetter, der Engel-Erfinder und Medien-König. Er war irgendwie Sündenbock für alles, was dem ADAC jemals vorgeworfen. wurde. Unschuldsvermutung? Tja, war doch alles klar…

Vor 10 Jahren in der 2. Reihe gesichtet: FC Bayern-Manager Uli Hoeneß mit Jean Todt, damals Präsident des Weltautomobilverbands FIA

Der Skandal erschütterte den Auto-Club. Die deutschen Hersteller gaben 40 Engel wieder zurück. Der Präsident ging und 380.000 kündigten ihre ADAC-Mitgliedschaft. 370.000 kamen neu dazu. Aus der Akte Ramstetter: Nach fünf Tagen stellte Bild die Hausbelagerung ein. Die Münchner Staatsanwaltschaft wollte ihn wegen eines mehrstelligen Millionenschadens anklagen. Verfahren eingestellt. Wegen Selbstgefährdung musste er in ärztliche Behandlung.

Blieben Freunde: Florian von Hornstein (Serviceplan) und Michael Ramstetter

Wie lebt sich´s als Verurteilter ohne Prozess? Status weg, Glamour weg, Freunde weg. Wichtigste Stütze: Ehefrau Ilona, die ehemalige Chefredakteurin des Münchner Merkur und Pressechefin der Sparkasse. „Ein paar Freunde habe ich schon noch“, sagte er mir im Frühjahr am Telefon. „Und einen Hund. Aber was früher eine Stunde dauerte, dafür brauch´ ich jetzt einen halben Tag.“ Michael Ramstetter war krank geworden. Krebs. Am 1. Dezember starb er in Starnberg. Er wurde 69.

Die ganz neuen Seiten des ADAC

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Guck mal, was da um die Ecke kommt: die neue ADAC-Motorwelt – und wir wundern uns.

Die headline-Redaktion hat die 100 Seiten der 1. Ausgabe durchgecheckt: Nein, es gibt´s im neuen ADAC-Clubmagazin keine Treppenlift-Anzeigen mehr. Die Motorwelt war früher das Schaufenster dieser Indoor-Maschinen. Wer da auftauchte, der hatte big business im Sinn: Die Anzeigenseite kostete immerhin 116.800,- Euro.

Dallmayr auf der U4, Ex-Focus-Redakteur Andreas Haslauer als Titelboy und -schreiber: die neue ADAC-Motorwelt

Die Anzeigenpreise sind gefallen, ebenso die Auflage der Motorwelt. Von 13,7 Millionen auf 5 Millionen Exemplare. Und: das Heft gibt´s nur noch 4x im Jahr. Da werden Deutschlands Postboten jubeln. War doch so Mancher zum Monatswechsel auf seinem gelben Postradl reif für den Abschleppdienst. So schwer war der Magazinstapel der in die Briefkästen musste. Aus, vorbei. Jetzt gibt´s das Club-Magazin im Supermarkt. Bei Edeka, bei Netto und in den ADAC-Geschäftsstellen. Selbst geholt ist frisch gespart.

Packende Dynamik im neuen Club-Magazin des ADAC

Mit der alten Motorwelt ist das letzte Machtsymbol aus dem ehemaligen ADAC-Imperium verschwunden. Heimlich, still und leise. Damals gab es nicht nur Europas größte Magazinauflage mit knapp 14 Millionen, sondern ein XXL-Zusatzgeschäft: Campingführer, Skiatlas, Reiseführer, Länderspecials. Der ADAC hatte die Luft-, Land- und Stammtischhoheit in der Automobilrepublik.

Im Januar 2014 begann der Zusammenbruch des Reichs. Die beiden Redakteure Uwe Ritzer und Bastian Obermayer beschrieben in der Süddeutschen Zeitung Schummeleien im Ranking des „Goldenen Engels“. Der „Engel“ war bis zu diesem Jahr die alljährliche Top-Gala der internationalen Automobilindustrie. Da saßen die Big Bosse in der ersten Reihe und wollten gewinnen (Foto).

Das war einmal: Der ADAC rief und die Garde der Bosse saßen ganz vorn

Mit dem Skandal brach ein PR-Tsunami los. Der ADAC war mit einem Schlag keine Lovebrand mehr. Batterieverkauf, Abschleppdienst Versicherungen, Mitgliederwerbung – überall wurde Betrug gewittert – und geschrieben. Die Vereinsführung beschloss neue Strukturen und trat zurück. Die Staatsanwaltschaft ermittelte. 320.000 Mitglieder verließen den Club. Dafür kamen 370.000 neue Mitglieder dazu.

Und wer musste eigentlich in der Gelbengel-Affäre vor Gericht? Oder ins Gefängnis? Niemand. Fall erledigt.

Promis in Heft 1: Neben James Bond auch Motorrad-King Valentino Rossi

Heimlich, still und leise verschwand nun die alte Motorwelt. Das Relikt vergangener Machtfülle. Das neue Clubmagazin gibt´s jetzt neben Brokkoli und Schweinswürstl beim Edeka. Und so mancher Autoboss denkt heute bestimmt wehmütig an die „Elefantentreffs“ in der Allerheiligen Hofkirche zu München. Den „Gelben Engel“ gibt´s seit 2014 nicht mehr. Aber auch kaum einer der CEO von damals ist heute noch im Amt.

Der Club selbst steht übrigens prächtig im Saft: Heute sind 21 Millionen Deutsche Mitglied beim ADAC.  

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